Wie alles mit einem harmlosen Scherz begann und in einer Jubelparade aus Schotten endete – unsere Story einer außergewöhnlichen Wanderung.

Der West Highland Way ist ein beliebter Wanderweg schottlands. Über 96 Meilen erstreckt er sich von Milngavie bei Glasgow über zahlreiche kleine Städte, isolierte Hotels, natürlich die Highlands und Wanderweg, Wanderweg, Wanderweg…

“Ich geb’ dir 10€, wenn du den Weg im Weihnachtsmannkostüm langgehst.” – “Deal!”. So wurde die Saat für eine Idee gepflanzt, die zwar leicht umsetzbar, aber doch völlig unsinnig ist – dachten wir zumindest. Die voll aufgeblühte Planung sah so aus, dass alle außer einer Person unserer Wandergruppe Weihnachtsmannkostüme tragen. Die letzte darf im Krokodilskostüm einen Crashkurs in der Existenz des Daseins als Echse belegen. Unser Rucksack wurde von einem kleinen Lautsprecher verziert, der fröhlich Weihnachtsmusik – natürlich in Englisch, um die Schotten nicht zu verwirren- von sich gab.

Oh was für ein Bild das machte. Drei Studenten in komischen Kostümen, die erhobenen Hauptes die einwöchige Wanderung antraten. Unwissend, was für Emotionen wir hervorrufen würden, zogen wir am ersten Tag der Wanderung unsere völlig wandertaugliche, keineswegs fehlplazierte Kleidung an, die nicht nur Wärme, sondern auch ein Gefühl des lächerlichen mit sich brachte. Das Siegel war gebrochen, die Büchse der Pandora geöffnet.

Milngavie, Schottland. 8:00 Uhr.

Ein namensloser Schotte sitzt in seinem Auto, fährt zur Arbeit. Gedanklich im Alltagstrott bot sein Weg wenig neues, nichts interessantes. Doch was war das? Zwei Weihnachtsmänner und ein Krokodil bauten nahe der Straße ein Paar Zelte ab. Damit hatte er nicht gerechnet. Fröhlich hupend und mit ausgstrecktem Daumen nach oben, passierte er die Gruppe. Wenn er das auf der Arbeit erzählte, gäbe es guten Gesprächsstoff.

“Hey, wir haben gerade einen Daumen nach oben abbekommen, vielleicht gefällt die Idee den Leuten ja.” freuten auch wir uns.  Noch bevor wir unsere Zelte abbauen konnten, drehten dutzende Leute undgläubig ihre Köpfe zu uns, hupten und winkten oder riefen “Ho ho ho!” aus ihrem Fenster. Das sollte zudem nur die Spitze des Eisbergs sein.

In Milngavie, dem Start des Wanderwegs, erwarteten uns hunderte neugierige Augenpaare, staunende Kinder und Leute die Konversationen sichtlich abbrachen, auf uns zeigten und das Gesprächsthema prompt  auf etwas wechselten, dass noch vier Monate in der Zukunft liegen sollte – den Weihnachtsmann. Es gab ein erstes Gespräch mit der Polizei, allerdings ein amüsiert interessiertes. Wenige Schritte später fiel uns auf, dass der Straßenmusik in unserer Nähe plötzlich Jingle Bells spielte. Wir hatten kurzzeitig einen Soundtrack zu unserem Leben. Kann auch nicht jeder von sich behaupten.

Nach einer Etappe, die gefühlt eine stolze Länge hatte, begrüßte uns höhnisch ein Schild, dass die 7 Meilen Grene markierte. Uns war klar: das würde eine lange Wanderung werden. Desto besser. Wenn wir die Weihnachtsstimmung nicht verbreiteten, wer dann?

In Drymen, einer kleinen schicken Stadt noch vor den Highlands, mussten wir Wasser auffüllen. Das haben wir in einem Hotel versucht. Kein Problem. Der Plan war simpel, die Umsetzung dann etwas komplexer. Als aufgefallen ist, was für Kleidung wir trugen, wollten die Besucher Gruppenfotos mit uns machen. Aber nicht nur ein paar, sondern gefühlt alle. Man hat uns am Ende gedankt, dass wir das mitgemacht haben und gesagt, man hänge uns im Pub des Hotels an die Fotowand. Die Leute sahen wirklich dankbar aus, dass mal etwas ungewöhnliches passiert ist. Uns wurde klar, dass wir nicht nur einen Scherz gemacht hatten, indem wir die Kostüme anzogen, sondern auch Freude, Gesprächsthemen für die Leute und Dankbarkeit verbreiteten. Ja, Dankbarkeit. Beim verlassen der Stadt kam uns eine Gruppe älterer Wanderer entgegen, unterhielt sich eine Weile mit uns, um sich mit Dank für den Lacher zu verabschieden. Wir hatten etwas komplett richtig gemacht. Uns wurde klar, dass man nicht über uns, sondern mit uns lacht.

Über die restlichen Kilometer will ich mich nicht in Details verlieren und fasse es hier nur in der Essenz zusammen. Über die Hälfte der Leute, die wir getroffen haben, reagierten stark positiv; schenkten uns ein Lachen zurück, haben uns mit “Ho ho ho!” und Ähnlichem begrüßt, gewunken oder gefragt, wo ihre Geschenke seien. Ein Dudelsackspieler hat seine schottische Natoinalhymne unterbrochen, um ein Weihnachtslied anzustimmen. Eine Bootstour auf dem Loch Lomond, einem großen See in den Highlands, unterbrach die Erklärung für die Touristen und fragte uns über Lautsprecher, ob er artig genug für seine Geschenke war. Wir haben viele internationale Bekanntschaften und Freundschaften geschlossen (viele Grüße an Maria und Stefan!). In manchen Städten haben uns Leute erkannt und berichtet, dass man ihm gesagt hätte, man könnte uns hier treffen. Selbst am Zielort des West Highland Ways, Fort William, wurden wir mit positiven Reaktionen geradezu überflutet. Teilweise sind so viele Leute auf uns zugekommen, dass wir richtig Zeit dadurch verloren.

Oft kam die Frage, warum wir das Ganze machen. Ja, warum eigentlich? Was mit einer harmlosen Idee anfing endete mit einer Reise voller Überaschungen und einem Gefühl, den Menschen nahe zu sein – auf einer Wellenlänge zu funktionieren – egal wie alt man ist, ob man aus Schottland, Brasilien oder Deutschland kommt. Ob gutes oder schlechtes Wetter war, Regen, Sonne, noch mehr Regen, ob den Leuten die Füße schmerzten oder sie andere Probleme hatten, für mindestens einen Moment haben sie sich alle gefreut den Weihnachtsmann zu treffen. Im August. In den verregneten Wäldern, steinigen Klippen und scheinbar endlosen Küsten der Seen. Hier in Schottland.

PS: Vielen Dank an alle, die uns auf unserer Reise begleitet und unterstützt haben. Besonders Maria und Stefan, ohne die wir einige Mahlzeiten weniger gehabt und Tagestouren weniger erlebt hätten.

Gute Ideen kommen selten allein.

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